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Binnenvertriebene: Flucht im eigenen Land

Binnenvertreibung ist ein globales Problem, das Millionen von Menschen betrifft. Ende 2023 waren nach Angaben des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (United Nations High Commissioner for Refugees, UNHCR) insgesamt 117,3 Millionen Menschen auf der Flucht (Stand: Juni 2024). Davon waren laut International Displacement Monitoring Centre (IDMC) Ende 2023 weltweit rund 75,9 Millionen Menschen innerhalb ihres eigenen Landes auf der Flucht (Stand: Mai 2024). Diese Menschen, auch Binnenvertriebene genannt, mussten ihre Heimat vor allem aufgrund von Katastrophen verlassen. Allein durch Erdbeben wurden im Jahr 2023 rund 6,1 Millionen Menschen von ihrem Wohnort vertrieben und suchten beispielsweise bei Gastfamilien oder in Flüchtlingslagern Zuflucht. In 66 Ländern und Regionen waren dagegen Konflikte und Gewalt die Hauptursache für die Vertreibung. Insgesamt 46 Prozent der weltweit Binnenvertriebenen lebten 2023 in Subsahara-Afrika. Doch auch andere Regionen wie der Nahe Osten, Indien, Mittel- und Südamerika sowie China sind von Binnenvertreibung betroffen (Stand: Mai 2024).

Die Ursachen für Binnenvertreibung sind vielfältig und reichen von bewaffneten Konflikten bis hin zu verheerenden Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Stürmen. Die Betroffenen stehen vor extremen Herausforderungen: Kriege dauern meist Monate oder Jahre an und ziehen weitere Folgen wie Instabilität und Schäden an der Infrastruktur nach sich. Oft begünstigen sich Katastrophen und Konflikte gegenseitig und führen zu einer fatalen Kombination, die die Hilfe für die Betroffenen erschwert. Viele leiden unter Armut, Hunger und Krankheiten und leben am Rande der Gesellschaft. Vor allem Kinder und Jugendliche haben aufgrund mangelnder Sicherheit und fehlenden Zugangs zu Bildung kaum Zukunftsperspektiven.

Die aktuelle Situation erfordert daher dringend Lösungen und humanitäre Hilfe, um die Millionen Menschen zu unterstützen und ihnen ein Leben in Sicherheit und Würde zu ermöglichen. Malteser International setzt sich programmatisch weltweit für die Rechte und den Schutz von Binnenvertriebenen ein, um ihre Lebensbedingungen zu verbessern und ihnen eine bessere Zukunft zu ermöglichen.

Definition: Was sind Binnenvertriebene?

Binnenvertriebene (engl.: internally displaced persons, kurz IDPs) sind Menschen, die aufgrund von Naturkatastrophen, bewaffneten Konflikten, Gewalt oder Menschenrechtsverletzungen gezwungen sind, ihr Zuhause bzw. ihren Wohnort zu verlassen, während der Flucht jedoch innerhalb der Grenzen ihres Herkunftslandes bleiben. Im Gegensatz zu Flüchtlingen, die internationale Grenzen überschreiten und somit unter den Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention fallen, gibt es für Binnenvertriebene keine internationalen Schutzabkommen, was ihre humanitäre Notlage verschärft. Sie sind häufig auf die Unterstützung ihrer eigenen Regierung angewiesen, die diese Aufgabe jedoch häufig nicht vollends erfüllen kann oder will.

Vertrieben im eigenen Land: Situation und Lebensumstände der Binnenflüchtlinge

Die Lebensbedingungen von Binnenflüchtlingen sind von Unsicherheit und Leid geprägt. Das spiegelt sich auch in einer höheren Sterblichkeitsrate von Vertriebenen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung wider. Die Menschen müssen oft unter widrigsten Umständen weite Strecken zurücklegen, häufig ohne ausreichend Nahrung, Trinkwasser und medizinische Versorgung. Die Fluchtwege sind nicht selten lebensgefährlich, da viele Binnenvertriebene der Bedrohung durch bewaffnete Gruppen und Gewalt ausgesetzt sind. Besonders gefährdet sind Frauen und Kinder, die die Mehrheit der Binnenflüchtlinge ausmachen.

Ein Teil der Vertriebenen findet Zuflucht in Notunterkünften in der Nähe der Konfliktgebiete. Diese bieten jedoch oft nur minimalen Schutz und die Bewohner und Bewohnerinnen sind mit unzureichender Ernährungssicherheit sowie mangelnder Wasser- und Sanitärversorgung konfrontiert. Diese meist überfüllten, provisorischen Unterkünfte bieten zudem kaum Schutz vor weiteren Wetterereignissen, die die ohnehin prekäre Situation noch verschlimmern können. Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Erdbeben und Dürren gefährden die Sicherheit der Menschen und erschweren die humanitäre Hilfe. Die unzumutbaren Bedingungen in den Notunterkünften verstärken zudem die Verarmung, Unterernährung und Ausbreitung von Krankheiten.

Länder mit den meisten Binnenflüchtlingen

Binnenvertreibung ist ein weltweites Problem, das regional sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Fast jeder zweite Binnenvertriebene lebt in Subsahara-Afrika, genauer gesagt 46 Prozent der Binnenflüchtlinge weltweit (IDMC GRID 2024, Stand: Mai 2024). Aber auch andere Länder und Regionen sind betroffen. Dabei zeigt sich ein globaler Negativtrend: Während das IDMC 2022 noch 71,1 Millionen Binnenflüchtlinge verzeichnete, stieg die Zahl 2023 auf 75,9 Millionen. Grund dafür sind nicht nur neue Fluchtbewegungen, die hinzukommen, sondern auch die hohe Zahl an Menschen, die seit Jahren oder Jahrzehnten keine dauerhafte Lösung gefunden haben und noch immer auf der Flucht sind.

In den folgenden Ländern leben die meisten Binnenvertriebenen:

Binnenvertriebene aufgrund von Konflikten und Gewalt (mehrheitlich) Binnenvertriebene aufgrund von Naturkatastrophen (mehrheitlich)
Sudan: 9 Millionen Afghanistan: 1,5 Millionen
Syrien: 7,2 Millionen Pakistan: 1,2 Millionen
Demokratische Republik Kongo: 6,7 Millionen Äthiopien: 881.000
Kolumbien: 5,1 Millionen Türkei: 822.000
Jemen: 4,5 Millionen China: 639.000

Quelle: IDMC GRID 2024 (Stand: Mai 2024)

Sudan

Im Sudan löste der Bürgerkrieg und die damit einhergehende Welle der Gewalt im Jahr 2023 zahlreiche Fluchtbewegungen aus, so dass Ende des Jahres mehr als 9 Millionen Menschen innerhalb des Landes auf der Flucht waren. Laut IDMC ist dies die höchste Zahl, die seit 2008 weltweit für ein einzelnes Land registriert wurde (Stand: Mai 2024).

Syrien

In Syrien haben langanhaltende gewaltsame Konflikte dazu geführt, dass viele Menschen innerhalb des Landes auf der Flucht sind. Das IDMC schätzt, dass Ende 2023 rund 7,2 Millionen Menschen in Syrien auf der Flucht waren. Viele von ihnen fliehen vor den bewaffneten Konflikten in Flüchtlingslager, die jedoch oft nicht von Angriffen verschont bleiben, was die Menschen häufig zur erneuten Flucht zwingt (Stand: Mai 2024).

Afghanistan

In Afghanistan waren Konflikte lange Zeit die Hauptursache für Binnenvertreibung. Im Jahr 2023 wurde laut IDMC jedoch keine neuen konfliktbedingten Vertreibungen verzeichnet. Dennoch lebten dort Ende des Jahres rund 4,2 Millionen Binnenvertriebene. Im Oktober löste zudem das Erdbeben in Herat rund 380.000 interne Fluchtbewegungen aus und traf vor allem die Menschen schwer, die bereits als Binnenflüchtlinge in Afghanistan lebten (Stand: Mai 2024).

Fluchtursachen unterscheiden

Die Gründe für die Binnenvertreibung variieren, lassen sich aber grob in zwei Kategorien einteilen:

  1. Konflikte und Gewalt: In Ländern oder Regionen wie Syrien, der Demokratischen Republik Kongo, dem Gaza-Streifen oder Kolumbien sind bewaffnete Konflikte, Kriege und Gewalt die Hauptursachen für Vertreibungen. Die Menschen fliehen vor Krieg, bewaffneten Auseinandersetzungen und systematischer Gewalt, die ihr Leben bedrohen.
  2. Naturkatastrophen: In Ländern wie Afghanistan und Pakistan sind neben Konflikten auch Naturkatastrophen wie Dürren und Überschwemmungen Ursachen für Binnenvertreibung. Diese Katastrophen zerstören die Lebensgrundlagen und zwingen die Flüchtlinge, sichere Gebiete innerhalb ihres Heimatlandes aufzusuchen.

Schutz für Binnenflüchtlinge

Im Gegensatz zu internationalen Flüchtlingen, die sich auf die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 berufen können, gibt es für Binnenvertriebene keine vergleichbare Rechtsgrundlage. Sie sind daher häufig auf die Hilfe ihrer Heimatregierung angewiesen. Diese sind jedoch in vielen Fällen nicht in der Lage oder nicht willens, den notwendigen Schutz zu gewährleisten, weil sie selbst in Konflikte verwickelt sind oder nicht über die notwendigen Ressourcen verfügen. Weil ihr Status und Schutz nicht klar geregelt sind, leben viele Binnenvertriebene in großer Unsicherheit als Bürgerinnen und Bürger zweiter Klasse.

Umso wichtiger ist es, dass humanitäre Hilfsorganisationen wie Malteser International Binnenvertriebene und ebenso die aufnehmende lokale Bevölkerung unterstützen. Sie setzen sich dafür ein, dass diese Menschen Zugang zu Grundbedürfnissen wie Nahrung, Wasser, medizinischer Versorgung und Schutz vor Gewalt erhalten. Internationale Hilfe für Binnenvertriebene ist jedoch meist nur mit Zustimmung der jeweiligen Regierung möglich. Daher ist es wichtiger denn je, auf internationaler Ebene auf die fehlenden Rechte von Binnenvertriebenen aufmerksam zu machen und diese zu verankern.

Positiv zu vermerken ist, dass die Not der Binnenflüchtlinge in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist. Die Vereinten Nationen haben 1998 die Erarbeitung von Leitlinien zu Binnenvertriebenen abgeschlossen. Die insgesamt 30 Prinzipien sind jedoch nicht rechtsverbindlich, sondern dienen als Empfehlungen für Regierungen und Hilfsorganisationen. Hierzu zählen beispielsweise folgende Richtlinien:

  • Binnenvertriebene haben Anspruch auf die gleichen Rechte und Freiheiten wie andere Menschen in ihrem Land und dürfen nicht diskriminiert werden.
  • Die nationalen Behörden tragen die Hauptverantwortung für den Schutz und die humanitäre Hilfe für Binnenvertriebene und müssen sicherstellen, dass sie weder verfolgt noch bestraft werden.
  • Binnenvertriebene dürfen unter keinen Umständen Opfer von Übergriffen, Sklaverei, Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung werden.
  • Internationale humanitäre Organisationen haben das Recht, den Binnenflüchtlingen Hilfe zu leisten und die nationalen Behörden müssen diesen Organisationen ungehinderten Zugang zu den Binnenvertriebenen gewähren

Trotz dieser Entwicklungen bleibt der Schutz von Binnenvertriebenen eine zentrale Aufgabe für humanitäre Organisationen weltweit, die unermüdlich daran arbeiten, diesen Menschen den Schutz zu geben, den sie benötigen.

 

Hilfe von Malteser International

Malteser International setzt sich weltweit für Binnenvertriebene ein und leistet umfassende humanitäre Hilfe. Unsere Unterstützung variiert je nach Kontext und Notlage. Sie umfasst verschiedene Bereiche, um die dringendsten Bedürfnisse der Flüchtlinge zu decken und ihre Lebensbedingungen nachhaltig zu verbessern:

  • Ausstattung mit Hilfsgütern

Für Binnenvertriebene, die ihre Heimat verlassen mussten, stellt Malteser International im Rahmen der Soforthilfe und je nach Kontext Decken, Matratzen, Küchensets oder auch Heizgeräte bereit. Vor allem bei Kälteeinbrüchen sind die Menschen in ihren provisorischen Unterkünften auf Hilfe angewiesen.

  • Medizinische Versorgung und Hygiene

Um den Flüchtlingen vor Ort zu helfen, bauen wir Gesundheitszentren auf, bieten medizinische Schulungen an, organisieren die Reinigung der sanitären Anlagen in den Camps und verteilen Hygiene-Kits an Familien. Oft fokussiert sich unsere medizinische Nothilfe auf den Aufbau von medizinischen Strukturen wie Feldkrankenhäusern, wie im Fall von Nord-West Syrien oder dem Gaza-Streifen. Die Gesundheitsversorgung wird in diesen behelfsmäßigen Krankenhäusern durch lokale und von Malteser International rekrutierte Fachkräfte gewährleistet. Neben der medizinischen Erstversorgung in Krisengebieten legen wir bei Malteser International besonders viel Wert auf eine langfristige, stabile Gesundheitsversorgung für Binnenvertriebene und die Aufnahmegemeinschaft. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei auch der Mutter-Kind-Gesundheit, der Versorgung von Verwundeten und chronisch Kranken sowie der Prävention und Behandlung von Infektionskrankheiten.

  • Ernährung und Wasserversorgung

Wir ermöglichen den Vertriebenen, die in Camps Schutz suchen, den Zugang zu sauberem Trinkwasser und anderen im WASH-Bereich zusammengefassten Dienstleistungen. Darüber hinaus verteilt Malteser International Nahrungsmittel als Soforthilfemaßnahme, wie im Gaza-Streifen, und führt auch Programme zur längerfristigen Sicherung der Nahrungsmittelversorgung durch, z. B. in Form von Schulungen und der Bereitstellung von landwirtschaftlichen Ressourcen wie Saatgut und Werkzeug. Unser Fokus liegt außerdem auf speziellen Ernährungsmaßnahmen für mangel- und unterernährte Kleinkinder und Schwangere.

  • Psychosoziale Unterstützung

Die Erfahrungen von Gewalt, Flucht und Verlust hinterlassen bei den Vertriebenen tiefe seelische Spuren. Malteser International bietet den Betroffenen psychosoziale Unterstützung an, wie derzeit in Syrien oder in Nigeria. Hierzu zählen beispielsweise Maßnahmen für Überlebende sexueller Gewalt und psychologische Erste-Hilfe-Kurse. In der westlichen Ukraine sorgen außerdem Spielmobile für eine spielerische und altersgerechte psychosoziale Unterstützung in Form von Sport, Basteln und Spielen.

Um unsere Arbeit für Binnenvertriebene weiterführen und ausbauen zu können, benötigen wir Ihre Hilfe. Mit Ihrer Spende können wir die Menschen vor Ort nachhaltig unterstützen und sie mit notwendigen Hilfsgütern versorgen. Helfen Sie jetzt mit Ihrer Spende. Jeder Beitrag zählt und kann das Leben der Vertriebenen nachhaltig verbessern.

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Flüchtlingshilfe: So leisten wir Hilfe vor Ort

Weltweit sind Millionen von Menschen auf der Flucht vor Krieg, Gewalt und Naturkatastrophen. Oft haben die Geflüchteten nicht nur ihr Zuhause, sondern auch ihre Lebensgrundlage und Angehörige verloren.

Malteser International setzt sich für die Betroffenen in Not ein und bietet ihnen Schutz, medizinische Versorgung und lebensnotwendige Hilfe. Erfahren Sie, wie wir mit unseren Projekten und Ihrer Spende Flüchtlingen und Vertriebenen Hoffnung und eine Perspektive für die Zukunft geben.

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Hilfe und Unterstützung in Flüchtlingslagern

Flüchtlingslager sind oft die letzte Zuflucht für Menschen, die alles zurücklassen mussten und viel verloren haben. Die Camps sind oft überfüllt, bieten kaum Schutz vor weiterer Gewalt und Naturkatastrophen und die Lebensbedingungen sind menschenunwürdig.

Malteser International sorgt dafür, dass diese Menschen die notwendige Hilfe und Unterstützung erhalten, die sie brauchen. Wir versorgen Geflüchtete und Vertriebene mit sauberem Wasser, Nahrungsmitteln, Medikamenten und psychosozialer Betreuung. Erfahren Sie, wie unsere Arbeit in den Flüchtlingslagern das Leben der Menschen verbessert.

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