Endlich eine Perspektive
„Wir hoffen, dass der Frieden kommt. Hoffentlich kommt er. Wir wollen diese Gewalt nicht mehr erleben. Bevor wir geflohen sind, mussten wir Bombardierungen der Guerilla und der Armee ertragen“ sagt Jimmy Chacon.
Vier Mal ist der 45-Jährige mit seiner Familie bereits vor der Gewalt geflohen. Und jedes Mal musste er alle Habseligkeiten zurücklassen. Nach einem halben Jahrhundert Bürgerkrieg sind in Kolumbien fast sieben Millionen Menschen innerhalb ihres Heimatlandes auf der Flucht – mehr als in jedem anderen Land. Ende Juni haben sich zumindest zwei der verschiedenen Kriegsparteien, die kolumbianische Regierung und die linke Guerillaorganisation Farc, auf einen Waffenstillstand geeinigt. In einem Volksentscheid haben die Kolumbianer allerdings dagegen gestimmt. Wie es jetzt weiter gehen wird, ist im Augenblick noch offen.
An keinem Ort kommt die Familie zur Ruhe
Als Jimmy Chacon das erste Mal mit seiner Frau flüchten musste, waren seine vier Kinder noch ganz klein. Sie kennen nur ein Leben auf der Flucht. Jedes Mal musste die Familie den großen Teil ihrer Habseligkeiten zurücklassen und Chacon begab sich an jedem neuen Ort wieder auf die Suche nach Arbeit. Als Tagelöhner versuchte er, sich und seine Familie zu ernähren. Aber zur Ruhe kam die Familie an keinem Ort. Nachdem die Familie in Higueronal von bewaffneten Gruppierungen bedroht wurde, versuchte Chacon in Barranquilla Arbeit zu finden. Aber auch hier herrschte Gewalt und so zog die Familie 2001 nach Riohacha und kauften von ihren Ersparnissen ein Haus, doch kurze Zeit später kam eine Sondereinheit der Polizei und riss das Haus ab. „Weinend musste ich mit ansehen, wie mein Haus zerstört wurde. Meine Tochter war gerade einmal eine Woche alt“, berichtet Jimmy Chacon. Schließlich gab die Familie auf und zog erneut weiter.
Inzwischen arbeitet Chacon als Landwirt in La Guajira. Er pflanzt Bananen und Kochbananen. Hilfe bekommt er dabei von Mitarbeitern von Malteser International. In speziellen landwirtschaftlichen Schulungen lernen die Bauern, wie sie mit den schwierigen Bedingungen in einem für sie unbekannten Gebiet bessere Erträge erwirtschaften. „In den Trainings haben wir gelernt, wie man am besten mit so einer Dürre, wie wir sie momentan erleben, umgehen können. Das hat uns sehr geholfen und dieses Wissen ist viel wichtiger, als alles Materielle.“, berichtet Chacon. Von Malteser International haben sie auch Saatgut bekommen.
Überfälle und anhaltende Gewalt zwangen auch Obencio Uriana und seine Frau vier Mal dazu, fast alles was sie besaßen hinter sich zu lassen, um ihr Leben zu retten. Uriana, 45, ist Ziegenzüchter. Dort, wo er und seine Frau zuletzt Zuflucht fanden, wurden die meisten ihrer Ziegen getötet, weil sie dem Nachbarn die Maniokpflanzen wegfraßen. „Wir stießen immer wieder auf Verachtung. Das wichtigste, was ich zurücklassen musste, war mein Grund und Boden. Nach dem wir aus unserer Heimat weg mussten, hingen wir in der Luft“, sagt Uriana.
Malteser International zeigt neue Wege in der Landwirtschaft
Auch Marina und Obencio Uriana leben inzwischen in La Guajira, wo wir über verschiedene Projekte Binnenvertriebene unterstützen. „Ich habe ein Hektar Land, auf dem ich Kochbananen anbaue. Das notwendige Saatgut haben wir von den Maltesern bekommen“, sagt Uriana. So wie seiner Familie geht es in den Regionen La Guajira und Magdalena im Norden Kolumbiens vielen Menschen. Sie wurden aus fruchtbaren Anbaugebieten vertrieben und können auf den neuen Flächen ihre traditionellen Anbaumethoden nicht mehr anwenden. Hinzu kommt, dass die Region sehr stark von dem Wetterphänomen El Niño betroffen ist und es seit drei Jahren nur wenig geregnet hat. Mit der Folge, dass fast 60 Prozent der Einwohner unter Mangelernährung leiden.
Mitarbeiter von Malteser International zeigen Uriana und Chacon, nicht nur wie sie ihre Flächen nachhaltig und möglichst ertragreich bewirtschaften, sondern auch, wie sie ihre Ernte anschließend sicher lagern und die Lebensmittel gesund zubereiten. Uriana hofft auf eine gute Ernte, doch zunächst heißt es erst einmal abwarten: „Sobald der Regen kommt, können wir aussäen, was wir von Malteser International erhalten haben. Heute haben wir eine größere Sicherheit und eine bessere Perspektive für die Zukunft“ und Chacon fügt hinzu: „Wegen der Dürre waren wir schon wieder kurz davor, die Zelte abzubrechen. Die Lage war wirklich schwierig, aber jetzt haben wir Hoffnung“, sagt Chacon.
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(15. Juli 2016, Katharina Kiecol)