12 Jahre Krieg - Kriegskinder aus Syrien berichten über ihre Kindheit
Ein ganzes Leben im Krieg - die Geschichte eines 12-jährigen Kindes
Am Tag von Ahmed's Geburt traf für die Familie des 12-jährigen Jungen aus Syrien alles zusammen: Glück und Trauer, Leben und Tod, Anfang und Ende.
Ahmed’s Vater und seine beiden Onkel waren an jenem Morgen auf dem Weg zu ihrer Obstplantage, die damals ihre Lebensgrundlage bildete. Es fielen plötzlich Schüsse, die das Leben der drei Brüder auf tragische Weise beendeten. Es war auch der Tag an dem Ahmed geboren wurde.
Der Krieg in Syrien begann im März 2011 und fordert seitdem zahlreiche Menschenleben. Besonders tragisch waren die letzten zwölf Jahre für Kinder, die eine Kindheit in Frieden gar nicht kennen.
Ahmed ist eines dieser Kinder, die von vielen ihrer Rechte beraubt wurden, unter anderem das Recht auf elterliche Fürsorge. Ahmed wurde zu Beginn des Krieges in der Stadt Homs geboren, am selben Tag, an dem sein Vater getötet wurde. Er wuchs in der Obhut seines Onkels Abu Ziyad auf, zusammen mit mehr als fünfzehn anderen Waisenkindern, darunter seine Brüder und Cousins.
Der Traum von Frieden
Als Granaten und Raketen in die Häuser der Familie einschlugen, flüchteten sie nach Jordanien, um dort Sicherheit zu suchen. Allerdings war ihr Leben auch dort schwierig und so kehrten sie im Jahr 2014 zurück in das westliche Umland von Aleppo, und leben seit 2017 im Flüchtlingscamp Kalbit in der Nähe des Grenzübergangs Bab al-Hawa. „Ich bin 12 Jahre alt. Ich liebe meine Cousins, denn ich bin mit ihnen aufgewachsen und sie sind wie ich. Ich liebe meine Schule und gehe in die dritte Klasse, auch wenn ich wegen der Vertreibung zwei Jahre lang nicht zur Schule gehen konnte. Ich liebe Fußball“, erzählt Ahmed.
„Mehr als dreißig Menschen wohnen in diesem Haus, das eigentlich nur für eine Familie gedacht ist. Ich versuche mein Bestes, um alle Familienmitglieder zu versorgen, obwohl es viele Herausforderungen gibt“, berichtet Abu Ziyad. „Am Tag der Erdbeben hatte ich zwanzig Kinder in meiner Verantwortung. Innerhalb weniger Augenblicke musste ich sie nach draußen bringen, weil ich befürchtete, dass das Dach über uns zusammenbrechen würde. Der Lärm der Erschütterung und die Schreie der Kinder erfüllten die ganze Umgebung. Aber Gott sei Dank wurde unser Haus nicht zerstört, und der Schaden beschränkte sich auf einige kleine Risse.“ Seit dem schweren Erdbeben vom 6. Februar leiden die Kinder unter großer Angst vor den regelmäßigen Nachbeben, was sich vor allem auf ihre Gesundheit auswirkt.
Ahmed leidet an einer Atemwegserkrankung, die sich nach dem Erdbeben durch die zusätzliche Angst und nervlicher Anspannung verstärkt haben. Er wird derzeit im Kalbit Primary Health Care Center behandelt, das von der syrischen Hilfsorganisation Hand in Hand in Aid and Development (HIHFAD) mit Unterstützung von Malteser International betrieben wird.
Ahmeds Traum drückt er mit einem sanften Lächeln auf seinem Gesicht aus, das die Unschuld eines kriegsmüden Kindes widerspiegelt. „Ich hoffe, dass ich die Schule abschließe und Arabischlehrer werden kann. Und ich träume davon, dass alle syrischen Kinder in Frieden leben, weit weg vom Krieg.“
"Ich habe alles verloren, was ich liebe"
Auch das Leben der 14-jährigen Maram aus Atareb, westlich von Aleppo, ist bereits seit ihrem zweiten Lebensjahr von Krieg und Zerstörung geprägt. Besonders tragisch für sie war jedoch das verheerende Erdbeben am 6.Februar, bei dem ihre Eltern und Geschwister ums Leben kamen. Sie war die einzige Überlebende in ihrer Familie.
"Ich habe alles verloren, meine Familie, mein Ein und Alles. Alles, was ich liebe", sagt Maram. Als das Beben mit einer Stärke von 7,7 ihre Heimat im Nordwesten Syriens erschütterte, wurde sie mit einem Schreck aufgewacht und versuchte so schnell wie möglich mit ihren Eltern und ihren drei Schwestern zu entkommen. Maram hatte als Erste die Treppe erreicht, doch dann stürzte das Gebäude ein.
„Wir waren unter den Trümmern gefangen. Ich war die erste Person, die von den Rettungskräften aus den Trümmern gezogen wurde. 21 Menschen starben in unserem Gebäude, nur neun Menschen überlebten. Ich war eine der Überlebenden. Meine ganze Familie starb, aber ich wurde frühzeitig gerettet und ins Krankenhaus gebracht.“ Maram wurde in einer von Malteser International und Independent Doctor’s Association (IDA) unterstützten mobile Klinik medizinisch versorgt, die in der Notunterkunft in Atarib Gesundheitsdienste anbietet.
„Nachdem ich erste Hilfe erhalten hatte, kehrte ich zu den Trümmern zurück. Sie fingen an, die Leichen meiner Familie herauszuholen, eine nach der anderen. Sie waren alle tot.“
Die Raketen des Regimes hatten ihr Haus beschädigt und die Wand teilweise eingerissen – nun ist sie durch das Erdbeben völlig zerstört. „Ich bin in der Zeit der Revolution und des Krieges aufgewachsen. Ich konnte keine guten Bildungschancen bekommen, ich weiß nicht, was ich für meine Zukunft tun soll.“
Gemeinsam mit den lokalen Partnerorganisationen leistet Malteser International weiterhin Nothilfe für die vom Erdbeben betroffenen Menschen in Syrien und der Türkei. Glücklicherweise können Ahmed und Maram lebensnotwendige Unterstützung erhalten. Da jedoch zahllose andere Menschen noch immer mit den Folgen der Katastrophe zu kämpfen haben, wird dringend weitere Hilfe benötigt. Spenden leisten einen großen Beitrag dazu, dass sich ihre Gemeinschaften erholen und ihr Leben wieder aufbauen können.
(März 2023)