Wenn das Hochwasser kommt
„Jetzt bin ich schon 65 Jahre alt und es ist das erste Mal, dass ich an so einem Treffen teilnehmen kann.“ Le Huu Hang strahlt. An diesem Vormittag steht er in der ersten Reihe des Gemeindehauses des Dorfes Lam Lang 1 in Vietnam. Heute trifft sich das Dorfkomitee zur Katastrophenvorsorge, denn jährlich kommt es in dieser Region zu starken Hochwassern. Menschen mit Behinderung sind in diesen Katastrophensituationen besonders gefährdet, denn häufig brauchen sie mehr Zeit und Hilfe, um sich in Sicherheit zu bringen.
Le Huu Hangs Ehefrau und Sohn haben eine Behinderung. Seine Frau sitzt im Rollstuhl, sein Sohn erkrankte ganz plötzlich, verlor alle Haare, sprach nicht mehr. Was ihm fehlt weiß der Vater nicht. Im Falle einer Flut braucht Le Huu Hang Unterstützung, denn wie soll er seine Frau schnell retten und gleichzeitig auch noch seinen Sohn, der alleine nicht zurecht kommt? Das war in der Vergangenheit immer besonders schwierig. Und kostete wertvolle Zeit, in der er seine Familie alleine in Sicherheit bringen musste.
Der Fluss Cam Hieu ist nur wenige hundert Meter von seinem Haus entfernt. Ein Damm hält das Wasser auf und so tritt es bei starkem Regen über die Ufer und überschwemmt nicht nur die Felder, sondern auch die Häuser in den nahegelegenen Dörfern.
„Vor einigen Jahren habe ich mein gesamtes Haus verloren. Alles war weg. Ich musste wieder von vorne anfangen.“ Auch sein neues Haus hat bereits viele Risse in den Außenwänden, die Mauer ist von schwarzem Schimmel gezeichnet. Regelmäßig steht das Wasser einen Meter hoch in seinem Haus, immer dann, wenn die Flut wieder kommt.
Sein Geld verdient Le Huu Hang als Landwirt. Doch das ist nicht so einfach, denn auch die Felder werden immer wieder überflutet und einige seiner Tiere sind bereits ertrunken.
Damit Menschen mit Behinderung in Zukunft im Falle von einer Flut besser geschützt werden, gibt es auch im Dorf Lam Lang 1 eine Gruppe zur Katastrophenvorsorge, die integrativ arbeitet. Le Huu Hang nimmt bereits aktiv an den Planungen teil. Gemeinsam besprechen die Katastrophenschützer mit den Menschen mit Behinderung und ihren Angehörigen, mit welchen besonderen Schwierigkeiten jeder zu kämpfen hat.
In der Gruppe berichtet Le Huu Hang, welche Hindernisse er bei den jährlichen Fluten in den vergangenen Jahrzehnten bewältigen musste, wenn er seine Frau und seinen Sohn alleine evakuierte. Wichtig ist nun, dass die Helfer im Falle einer Katastrophe wissen, wer als erstes unter den Dorfbewohner welche Unterstützung braucht. Le benötigt zum Beispiel Helfer, die ihm beim Tragen des Rollstuhls unterstützen, wenn es schnell gehen muss.
„Ich hoffe nun, dass ich in der Gruppe lerne, wie ich meine Frau und meinen Sohn schnell in Sicherheit bringen kann. Denn die nächste Flut kommt bestimmt.“
Bereits seit 2013 unterstützen wir in Vietnam integrative Katastrophenvorsoge.
Erfahren Sie mehr über unser Projekt in Vietnam
(15. September 2017, Katharina Kiecol)