Ziele des Grand Bargain und Umsetzung durch Malteser International
Im Jahr 2016 tagten in Istanbul auf Initiative der UN Vertreterinnen und Vertreter von Staaten, humanitären Organisationen, der Zivilgesellschaft und des Privatsektors mit dem Ziel, die internationale humanitäre Hilfe zu stärken und weiterzuentwickeln. Ein zentrales Ergebnis des World Humanitarian Summit (WHS) ist die Abschlusserklärung Grand Bargain. Darin verpflichten sich Geber und humanitäre Organisationen auf umfassende Maßnahmen zur Steigerung der Effektivität und Effizienz in der humanitären Hilfe. Der Grand Bargain des humanitären Weltgipfels umfasst neun klare Ziele und ein Querschnittsthema. Lesen Sie hier zusammengefasst, wo wir fünf Jahre nach dem ersten World Humanitarian Summit mit unserer Arbeit stehen, was wir bereits erreicht haben und wo wir uns noch verbessern möchten und müssen.
1. Größere Transparenz
Wir arbeiten nach klaren Qualitätsrichtlinien und operativen Standards. Der beleghafte und nachvollziehbare Umgang mit Spendengeldern und öffentlichen Mitteln ist uns sehr wichtig. Wir sind vom Deutschen Spendenrat zertifiziert und arbeiten nach den strengen Richtlinien unserer öffentlichen Geber. Sichtbarer Nachweis sind unsere zertifizierte Partnerschaft mit dem europäischen Amt für humanitäre Hilfe (ECHO) und der Europäischen Kommission sowie die Qualitätsprüfung durch das Auswärtige Amt, die wir zu Jahresbeginn 2021 erfolgreich bestanden haben. Mehr zu den Standards unserer Hilfe.
2. Mehr Unterstützung und Finanzierung für lokale und nationale Hilfsorganisationen
In Istanbul hatten sich öffentliche Geber und Hilfsorganisationen dazu verpflichtet, bis zum Jahr 2020 ein Viertel ihrer Hilfe über lokale Akteure und Partnerorganisationen zu leisten. Unsere Erfahrung zeigt, dass lokale Akteure mehr können: Bei Malteser International gestalteten die lokalen Partner im Jahr 2020 rund die Hälfte der Hilfeleistungen. Gemeinsam mit der Caritas, Diakonie und Welthungerhilfe unterstützen wir mit unserem Programm „ToGETHER!“ in acht Ländern 40 lokale Partnerorganisationen in besonders gezielter Weise beim Aufbau von Kapazitäten sowie in der Vertretung ihrer Interessen. Lesen Sie darüber, wie die Coronakrise als Katalysator für Lokalisierung wirkte.
3. Mehr Programme mit direktem Bargeldtransfer
Bargeldtransfers gelten als bestes Hilfsmittel in Ländern mit funktionierenden Märkten: Sie stärken die Würde und die Handlungsfähigkeit der Betroffenen, die selbst entscheiden können, was sie am dringendsten brauchen. Auf diese Weise ist die Hilfe oftmals stärker am Bedarf orientiert und zielgerichteter als bei standardisierten Hilfslieferungen. Im Jahr 2020 profitierten allein im Rahmen unserer Covid-19-Hilfe weltweit rund 55.000 Personen von Bargeldhilfe.
4. Reduzierung von Managementkosten
Seit dem Jahr 2018 erproben wir in der Region Afrika gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt ein neues Format der Förderung. Ziele sind mehr Flexibilität, Planungssicherheit, Reaktionsfähigkeit und Verwaltungsvereinfachung in der humanitären Hilfe. Die Erfahrungen sind gut: Im Krisenfall gibt es nun die Möglichkeit, Mittel schnell bereitzustellen oder umzuwidmen, ohne dass lange Abstimmungs- und Antragsschleifen zwischen den Partnern notwendig sind. Regelmäßige Sitzungen sorgen für den notwendigen Informationsaustausch und die Gesamtkoordination. Mehr zu unserem Pilotprojekt lesen Sie hier.
5. Verbesserung gemeinsamer und unabhängiger Bedarfsanalysen
Im Jahr 2019 haben wir im Zuge der Überarbeitung unserer internen Regelungen für Qualität und Rechenschaft auch die Standards für die Ermittlung der Bedarfe in Krisensituationen vereinheitlicht. Konkret führen wir Bedarfsanalysen ergebnisoffen und partizipativ mit den Menschen vor Ort durch. Außerdem versuchen wir die Bedarfe gemeinsam mit anderen humanitären Organisationen zu erfassen, um Expertisen zu bündeln und Duplizierungen von Aktivitäten zu vermeiden.
6. Participation Revolution: Menschen, die Hilfe erhalten, werden in Entscheidungen, die ihr Leben betreffen, einbezogen
Wir haben unsere partizipativen Ansätze weiterentwickelt: So arbeiten wir seit 2017 nach der People First Impact Methode (P-FIM). Mit dieser besonderen Methode können die Menschen, denen wir helfen wollen, frei klären ob, wobei und in welcher Form sie Hilfe benötigen und wie sie die Notlage lösen möchten. Wir geben als Hilfsorganisation explizit keine Ziele vor. Gemeinsam wird erarbeitet, welches Wissen, welche Ressourcen und welche Kapazitäten lokal zur Verfügung stehen und was ergänzt werden müsste.
7. und 8. Mehrjahresplanung erhöhen und Zweckbestimmung durch Geber reduzieren
Im Regionalprogramm Afrika, das Pilotprojekt mit dem Auswärtigen Amt, werden länderübergreifende und sektorale Schwerpunkte festgelegt, die die bislang übliche auf ein Land und spezifische Sektoren festgelegte Projektkonzeption ersetzen. Das ermöglicht es uns, Hilfe flexibler dort zu leisten, wo sie am dringendsten gebraucht wird. Einfachere Anschlussfinanzierungen für andauernde Krisen erhöhen darüber hinaus die Planbarkeit der Hilfe.
9. Harmonisierung und Vereinfachung von Reporting-Anforderungen
Komplexe und unterschiedliche Auflagen der Geber für die Berichterstattung erhöhen den Verwaltungsaufwand der Hilfsorganisationen seit Jahrzehnten. Einige Punkte, wie die Möglichkeit, Berichte in englischer Sprache einzureichen, oder die Möglichkeit der Programmfinanzierung, tragen bereits zur Vereinfachung der Abläufe bei. Insgesamt gibt es bei den Geberanforderungen aber noch viel Raum für weitere Harmonisierungen.
Querschnittsthema „Humanitarian-Development-Peace-Nexus“
Wir arbeiten seit über 20 Jahren mit großer Erfahrung in den Übergängen zwischen humanitärer Hilfe und längerfristiger Entwicklung. Immer mehr der humanitären Krisen weltweit sind durch bewaffnete Konflikte bedingt und führen zu Flucht und Vertreibung. Hier verstärken wir unser Engagement in der Friedensförderung, beispielsweise seit 2018 im Wiederaufbauprogramm für Rückkehrer und Rückkehrerinnen im Irak.